| Text | Cum Pythagoras quidam magnus philosophus forte iter ageret, ventum est ad fabricam in qua super unam incudem quinque mallei feriebant, quorum suavem concordiam miratus philosophus accessit primumque in manuum varietate sperans vim soni ac modulationis existere, mutavit malleos. Quo facto sua vis quemque secuta est. Subtracto itaque uno qui dissonus erat a caeteris alios ponderavit, mirumque in modum divino nutu primus XII, secundus IX, tertius VIII, quartus VI, nescio quibus ponderibus appendebat. Cognovit itaque in numerorum proportione et collatione musicae versari scientiam. Erat enim ea constitutio in quattuor malleis, quae est modo in quattuor litteris A D E a.
Denique si A gravis habet XII et a acuta VI tenet se acuta a cum A gravi proportione quae est in arithmetica dupla, in musica autem diapason consonantia ; D vero gravis quae est VIIII cum E gravi quod est VIII tenet se proportione quae est in arithmetica sesquioctava, id es epogdous, in musica autem tonus consonantia. Item a acuta cum D gravi, sicut E gravis cum A gravi tenet se proportione quae est in arithmetica sesquialtera, in musica vero diapente consonantia.
Quae cuncta in supradictis numeris curiosus perscrutator inveniet. Hinc enim incipiens Boetius panditor huius artis, multam miramque et difficillimam huius artis cum numerorum proportione concordiam demonstravit. Quid plura? Per supradictas species voces ordinans monochordum primus ille Pythagoras composuit, in quo quia non est lascivia sed diligenter aperta artis notitia, sapientibus in commune placuit, atque usque in hunc diem ars paulatim crescendo convaluit, ipso doctore semper humanas tenebras illustrante, cuius summa sapientia per cuncta viget saecula. Amen. |
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| Translation | Als einst Pythagoras, ein grosser Philosoph, seines Weges dahinging, kam er zu einer Schmiede, wo eben auf einem Amboss fünf Hämmer schmiedeten. Erstaunt über den Zusammenklang derselben trat der Philosoph ein. Da er anfangs die Ursache des Tones und seines Wohlklanges in dem Unterschiede der Hände zu finden hoffte, ließ er die Hämmer wechseln. Nachdem dieses geschehen war, folgte auch jedem Hammer seine Wirkung. Er schied daher hierauf den misstönenden Hammer aus, und wog die übrigen. Wunderbarer Weise betrug durch Gottes Fügung der erste 12, der andere 9, der dritte 8 und der vierte 6 Teile eines gewissen Gewichtes. Er erkannte daraus, dass die Wissenschaft der Musik in dem Verhältnisse und der Vergleichung der Zahlen bestehe. Es bestand nämlich zwischen den vier Hämmern dasselbe Gesetz, wie zwischen den vier Buchstaben A D E a.
Wenn darnach das tiefe A 12 und das hohe a 6, so steht das hohe a zum tiefen in dem Verhältnisse, welches in der Arithmetik das Doppelte, in der Musik die Konsonanz der Oktave [2:1] heisst. Das tiefe D aber, dem die Zahl 9 entspricht, steht zum tiefen E mit der Zahl 8 in dem Verhältnisse, welches in der Arithmetik ein und einem Achtel, das ist [ein Achtel] über acht entspricht (= sesquioctava), in der Musik aber das Intervall des „Tones [Sekunde] genannt wird. So steht das hohe a zum tiefen E, wie das tiefe D zum tiefen A in dem Verhältnisse, welches in der Arithmetik eins über drei, in der Musik aber die Konsonanz der Quarte [4:3] heisst. Ferner steht das hohe a zum tiefen D wie das tiefe E zum tiefen A in dem in der Arithmetik anderthalb (= sesquitertia), in der Musik Konsonanz der Quinte genannten Verhältnisse [3:2]. […]
Dieses alles wird der strebsame Forscher in den oben genannten Zahlen finden. Von da ausgehend hat Boethius, der Erweiterer dieser Kunst, die ausgedehnte, wunderbare und äusserst feine Übereinstimmung dieser Kunst mit den Zahlenverhältnissen nachgewiesen. Aus diesen Intervall-Arten hat jener Pythagoras zuerst das Monochord hergestellt, an welchem alle Gelehrten insgemein ihr Wohlgefallen fanden, da es keine leichtfertige Spielerei, sondern das mit vielem Fleisse enthüllte Grundwissen der Kunst ist; und bis auf heute nahm die Kunst allmählich an Ausdehnung zu unter dem Lehreinfluss dessen, der von jeher das Dunkel der menschlichen Einsicht erleuchtete, dessen höchste Weisheit in Ewigkeit wirket. Amen. |
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